Den Graben überwinden

Neben den klassischen pädagogischen Ansätzen bildet die Erlebnispädagogik ein Konzept, das naturnahe Settings mit zu überwindenden Aufgaben verknüpft. Die Begründung der Erlebnispädagogik reicht zurück in die 60`er Jahre und wurde von Kurt Hahn, einem Reformpädagogen, entwickelt. Sein Blick richtete sich spezifisch auf Jugendliche. Er betrachtete die Verbindung zwischen Natur und realen Herausforderungen als besten Lehrmeister für Heranwachsende. Auf Basis dieser Theorie werden Jugendliche in neue Lernsituationen versetzt, sollen die eigene Komfortzone verlassen und neue Erfahrungen sammeln.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Rolle des Anleiters. Er stellt die Gruppe vor eine Aufgabe, die die Jugendlichen innerhalb des Teams selbst lösen müssen. Bei der Lösungsfindung bleibt der Anleiter weitgehend in der Position des Beobachters, beachtet die Sicherheit und gibt bei Bedarf Denkanstöße. Die Gruppe ist demnach aufeinander angewiesen und übernimmt füreinander Verantwortung. Dabei lernen die Jugendlichen sich zu koordinieren und zu kooperieren, so sammeln sie die Erfahrung, selbstwirksam zu sein. Dazu gehört auch Konflikte auszuhalten, zu lösen und durchzuhalten. Ziel ist es, dass der Einzelne an den Anforderungen wächst und gestärkt in den Alltag zurückkehrt.

Das Konzept der Erlebnispädagogik stieß auch in der Klasse Erz 23 auf großes Interesse, verbunden mit dem Wunsch sich selbst zu erproben. Zwei unserer Fachschüler/innen haben daraufhin die Planung und Anleitung für diesen Tag übernommen. Ziel dabei war es, den Erlebnischarakter fernab alltäglicher Situationen zu erzeugen. So entwickelten sie zwei verschiedene Konzepte für den erlebnispädagogischen Tag. Eine Variante wurde spezifisch für die Zielgruppe der Jugendlichen erarbeitet, die andere wurde für Kinder im Vorschul- bzw. Grundschulalter vorbereitet. Dies stellte eine besondere Herangehensweise dar, denn die Erlebnispädagogik ist als solche eher auf die Jugendarbeit ausgerichtet. Damit eröffnete sich eine neue Perspektive für die Übertragung des Konzepts auf kindgerechte Ebene.

Am 27. September 2024 war es schließlich soweit. Wir brachen gemeinsam zum Vogtlandsee und Umgebung auf. Die einzelnen Erlebnisstationen im Moor- und Waldgebiet wurden durchgehend in Aufgaben für Kinder und Jugendliche unterteilt. Eine Aufgabe zu Beginn war es beispielsweise, dass die Kinder anhand ausgelegter Materialien entscheiden sollten, was wichtig für den Wanderrucksack ist und was nicht hineingehört. An einer anderen Stelle waren Tierfiguren im Moos versteckt und die Kinder sollten entscheiden, welche Tiere tatsächlich im Wald leben. Zudem hätten sie die Aufgabe des Baus einer Waldhütte erhalten.

Für uns als Gruppe wurden verschiedene Herausforderungen vorbereitet, welche gemeinsam gemeistert wurden. An der ersten Station galt es, einen Graben zu überwinden. Dabei stellte uns der Anleiter ein 15 m langes Seil zur Verfügung und überließ uns die Lösungsfindung zum Überqueren des Grabens. Die Teilnehmer sammelten daraufhin tragbare Baumstämme und verwendeten das Seil als unterstützendes Hilfsmittel. Tatsächlich ging der Anleiter davon aus, dass allein das Seil Verwendung finden würde, die Gruppe fand also einen anderen Lösungsweg. Besonders diese Prozesse stellen neben dem Erleben, einen Lerngewinn für den Einzelnen und für das Gruppenerleben dar. An den folgenden Stationen seilten wir uns beispielsweise von einem Felsen ab und sicherten uns gegenseitig, bekamen eine Einführung ins Bogenschießen mit flachen Pfeilen und entfachten ein kleines Lagerfeuer mithilfe eines Feuerstahls. Schon nach wenigen Stunden wurde spürbar, dass sich die Gruppe füreinander einsetzt und verantwortlich fühlt. Grundsätzlich waren die Aufgaben auf Freiwilligkeit ausgelegt und jeder konnte für sich selbst entscheiden, welchen Herausforderungen er sich stellen wollte. Als Klasse haben wir das gemeinsame Erlebnis und die Methoden der Erlebnispädagogik sehr zu schätzen gelernt und bei dem einen oder anderen Teilnehmer haben sich auch Perspektiven für den weiteren beruflichen Weg aufgetan.